Teil 1: Peloponnes (8.5.-2.6.2021)
„Das Land der Griechen mit der Seele suchend“
Johann Wolfgang von Goethe: Iphigenie auf Tauris
Ankunft in Griechenland
Nach einem etwas wehmütigen Abschied von Italien, das – völlig ungeplant und unerwartet – während dieses Corona-Sabbatjahres für viereinhalb Monate fast zu unserer zweiten Heimat geworden ist, und einer ruhigen Überfahrt, während der wir auf dem offenen Deck im Granny schlafen konnten, sind wir kurz vor Sonnenaufgang im Hafen von Igoumenitsa eingelaufen
In Erinnerung des Hardcore-Tetris’ des Beladens der Fähre am Abend zuvor, bei dem unzählige Lastzüge dicht an dicht auf dem offenen Deck geparkt wurden, hatten wir damit gerechnet, erst nach frühestens einer Stunde von der Fähre fahren zu können. Aber das Entladen ging erfrischend schnell. Auch die Kontrolle war nicht so intensiv wie befürchtet: Zwar wurden wir zum Corona-Test herausgewunken, aber nach einem flüchtigen Blick auf unsere Testergebnisse aus Italien durften wir nach Griechenland einreisen. So saßen wir recht bald mit Antonia und Ernst beim Frühstück im Hafen von Igoumenitsa.
Danach trennten sich unsere Wege: Die beiden wollten Richtung Nord-Griechenland und uns zog es zum Peloponnes. Die Anfahrt dorthin war zügig und unproblematisch. Zwar standen an den Autobahnmautstellen meist Polizisten, ihre Kontrollfunktion haben diese allerdings nur sehr halbherzig wahrgenommen. Da der Lockdown und das Verbot von Reisen zwischen den Regionen ja noch offiziell mindestens bis zum 10. Mai dauern sollte, hatten wir uns schon ein wenig Sorgen gemacht.
So waren wir froh, nach dem Überqueren der spektakulären Harilaos Trikoupi-Brücke, die auf einer Länge von 2,2 Kilometern den Golf von Korinth überspannt, schon gegen Mittag auf dem Peloponnes zu sein.
Mit dem Verlassen der Autobahn wurde die Orientierung schwieriger: Nicht alle kleinen Orte sind auch in lateinischen Buchstaben ausgeschildert. Daher kamen wir uns zunächst wie Analphabeten vor. Wir hoffen jedoch, uns bald an das griechische Alphabet gewöhnt zu haben.
Achaía
In der Region Achaía im Norden der Halbinsel, in der auch die große Hafenstadt Pátras liegt, zog es uns zunächst in die entlegeneren Berggegenden. Da wir uns ja eigentlich – zumindest bis zum 10. Mai – erneut in der Illegalität befanden, wollten wir die touristischeren Gegenden meiden und die Einsamkeit suchen. Damit hatten wir ja schon auf Sardinien gute Erfahrungen gemacht.
Kalávryta
Inmitten ein wenig an die Alpen erinnernder zumindest im Frühling üppig grüner Berghänge liegt idyllisch der kleine Ort Kalávryta.
Diese Idylle wird jedoch nachhaltig gestört durch die traurige und für uns beschämende Geschichte des Städtchens: Am 13. Dezember 1943 rückte die 117. Jägerdivision der deutschen Wehrmacht in Kalávryta ein – mit dem Befehl, den Ort dem Erdboden gleichzumachen und alle männlichen Bewohner zu töten.
Vorangegangen war die Erschießung von 81 deutschen Soldaten durch griechische Partisanen. Diese sollten eigentlich gegen gefangene Partisanen ausgetauscht werden. Die deutschen Truppen versuchten allerdings, die Geiseln zu befreien.
Bei dem beispiellosen Massaker, das die Deutschen daraufhin als Rache anrichteten, verloren nahezu alle 700 männlichen Bewohner zwischen 12 und 80 Jahre in Leben. Fast noch unglaublicher ist aber eine Geschichte, die sich etwa 29 Jahre später ereignete: In Bochum standen 1972 zwei Mitglieder der 117. Jägerdivision wegen der Gräueltat vor Gericht. Die Richter kamen „im Namen des deutschen Volkes“ zu dem unfassbaren Urteil, dass „in dieser Situation (…) Repressalien notwendig und auch zulässige völkerrechtliche Mittel“ gewesen seien. „Dass die ergriffenen Repressalien damals in einem unangemessenen Verhältnis zu den vorausgegangenen Völkerrechtsverletzungen (Gefangennahme und Erschießung von 81 deutschen Soldaten) standen, haben die Ermittlungen nicht ergeben.“
Dass durch diese Strafvereitelung im Amt durch nationalsozialistische Seilschaften in der deutschen Justiz jegliche zumindest juristische Aufarbeitung der Verbrechen der deutschen Wehrmacht verhindert wurden, lässt den griechischen Ruf nach Reparationszahlungen durchaus verständlich erscheinen. Es wundert daher nicht, dass die derzeitige Kanzlerkandidatin der Grünen Annalena Baerbock, die zumindest die Bereitschaft erkennen lässt, über dieses Thema zu sprechen, in Griechenland zur Zeit weitaus beliebter ist als Frau Merkel.
Am Ortsrand von Kalávryta erinnert mit den Namen der von den Deutschen getöteten Kinder und Männer ein erfreulich schlicht und unpathetisch gestaltetes Denkmal an das traurige Ereignis – mit dem Aufruf, nicht zu vergessen. Diese Mahnung scheint in einer Zeit, da 76 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges immer mehr Nationalisten in den unterschiedlichsten Ländern auf eine Spaltung Europas hinarbeiten, da selbst im deutschen Bundestag eine Partei sitzt, die den Austritt Deutschlands aus der EU in ihr Parteiprogramm geschrieben hat, umso wichtiger zu sein.
Kloster Méga Spíleon
Nur fünf Tage zuvor, am 8. Dezember 1943 fiel die deutsche Wehrmacht über das einige Kilometer nördlich oberhalb der Vouraïkós-Schlucht gelegene Kloster Méga Spíleon her. 22 Bewohner und Besucher des Klosters im Alter von 14 bis 88 Jahren ließen hier ihr Leben. Auch die Gebäude des Klosters wurden damals zerstört.
„Méga Spíleon“ lässt sich mit „Große Höhle“ übersetzen: Der Name passt, ist das bis zu achtstöckige Gebäude doch in eine hohe Felsnische hineingebaut.
Nach der Gründungslegende geht der Ursprung des Klosters auf das vierte Jahrhundert zurück. Um 1900 galt es als das größte und bedeutendste Kloster Griechenlands.
Vouraïkós-Schlucht
Zwischen Kalávryta und Diakoftó am Golf von Korinth hat sich der Vouraïkós tief in das Küstengebirge hineingefräst. Durch die dabei entstandene tiefe Schlucht führt eine Schmalspurbahn, die auf 22 Kilometern Strecke etwa 800 Höhenmeter überwinden muss. An den steilsten Abschnitten mit bis zu 28 Prozent Steigung geht dies nur mit Zahnradunterstützung. Kurz nach dem steilsten und spektakulärsten Abschnitt gibt es auch einen Bahnhof unterhalb des Klosters Méga Spíleon.
1895 wurde die Bahnlinie nach zehnjähriger Bauzeit eröffnet. Da Kalávryta mittlerweile längst an das Straßennetz angeschlossen ist, hat die Bahn ihre verkehrstechnische Bedeutung verloren, ist aber mit Recht ein Touristenmagnet. So fahren denn auf der Strecke seit 2009 moderne, vollklimatisierte Züge – nachdem die anfangs eingesetzten Dampfloks schon 1967 endgültig von dieselgetriebenen Triebwagen abgelöst worden waren. Im Bahnhof von Diakoftó lassen sich alle drei Generationen bewundern.
Zum Glück fuhr die Bahn in diesem Jahr noch nicht, denn wir wollten die Schlucht zu Fuß erkunden – und das geht nur auf den Bahngleisen. Insbesondere in den zahlreichen Tunneln, die zu durch-, und Brücken, die zu überqueren waren, konnten wir auf die Begegnung mit den wenn auch langsam fahrenden Zügen gut verzichten.
Dabei kosteten die Brücken durchaus mehr Überwindung. Schließlich musste man auf schmalen, schon Rost ansetzenden Metallplatten mit nur hüfthohen Geländern entlang der Gleise den tief unten vorbeirauschenden reißenden Vouraïkós mehrfach überqueren. Dabei war nicht nur Schwindelfreiheit gefragt, sondern auch großes Vertrauen in die griechische Ingenieurskunst, deren Glanzzeit ja nunmehr schon etwa zweieinhalb Jahrtausende zurückliegt.
Diakoftó
Am kleinen Hafen von Diakoftó konnte man in netten, kleinen Cafés dem Treiben der Fischer zuschauen und sich von den Strapazen der Wanderung erholen. Nach Monaten der zwangsweisen Café-Abstinenz genossen wir das!
Korinthía
Die Korinthía, der östliche Nachbarbezirk der Achaía, lockt wenige Kilometer nördlich des Golfs von Korinth ebenfalls mit einsamen Bergregionen.
Evrostina
Etwa 700 Meter über dem Meer thront das Dörfchen Evrostina. Das aus dem Jahre 1811 stammende Ágios Geórgios- Kirchlein bietet einen wundervollen Blick und ein schattiges Plätzchen für eine Mittagspause.
Stymphalischer See
In den Bergen, die nach Süden hin immer trockener und karger werden, bildet das ökologisch ausgesprochen wertvolle Feuchtbiotop des Stymphalischen Sees eine echte Oase. Wenn man am Ufer des Sees steht und die friedlichen Geräusche hört, die Frösche und Wasservögel verbreiten, kann man sich kaum vorstellen, dass die fünfte der zwölf gefährlichen Aufgaben, die den Herakles von der Unsterblichkeit trennten, darin bestand, die Stymphalischen Vögel zu vertreiben. Aber die waren, der griechischen Mythologie nach, auch wohl eher unangenehme Zeitgenossen.
Kórfos
An der weiten Bucht von Kórfos fanden wir unter dezentem Wellengeplätscher einen schönen Übernachtungsplatz direkt am Strand unter Palmen – aber leider mit der örtlichen Müllverbrennungshalde im Rücken. Trotzdem lockte das schon gar nicht mehr so kalte Meer zu einem ersten Bad auf dem Peloponnes.
Das nahe Ferienörtchen lag noch im Corona-Schlaf.
Argolis
Unser nächstes Ziel war die Argolis, der „Daumen“ der peloponnesischen Hand. Hier sind die antiken Ausgrabungsstätten von Mykéne und das antike Theater von Epídauros Pflichtprogramm für den kulturinteressierten Reisenden.
Epidauros
„Die Straße nach Epidauros ist wie die Straße zur Schöpfung. Man sucht nicht mehr. Man wird still, verstummt durch die Stille geheimnisvoller Anfänge.“
Henry Miller: Der Koloss von Maroussi
Laut Internet sollten die archäologischen Stätten und Museen in Griechenland trotz Lockdown bis zum 15. Mai schon seit dem 16. April geöffnet haben. Und so beschlossen wir, nachdem wir mit mäßigem Erfolg versucht hatten, ein Klettergebiet zu erkunden, es einfach mit Kultur zu versuchen. Zwar sah bei unserer Ankunft alles verrammelt aus, aber Almuts Erkundigung im Museum ergab die Ermutigung, wir sollten in jedem Fall das tolle Theater erkunden.
Und so hatten wir dann das unbeschreibliche Glück, das grandiose Theater von Epidauros zeitweise nur für uns zu haben – ein tolles Erlebnis! In den 14.000 Besuchern fassenden Rängen des Theaters konnten sich die insgesamt etwa 15 Besucher ganz coronakonform aus dem Weg gehen – und wir konnten dabei Henry Millers Begeisterung über diesen magischen Ort vollauf nachvollziehen: „In Epidauros, in der Stille, hörte ich das Herz der Welt schlagen.“
Das 2300 Jahre alte Theater und die umliegenden Anlagen waren ganz dem Kult des Asklepios geweiht. Asklepios, ein Sohn des Apollon, gilt als Gott der Heilkunde und lief seinem Vater hinsichtlich seiner Verehrung bald den Rang ab – kein Wunder, soll er doch sogar Tote wieder aufgeweckt haben.
Nicht nur im Theater, auch in Bädern wurde dem Gott gehuldigt und so auf Heilung von schlimmen Krankheiten gehofft.
Der Höhepunkt der Anlage ist zweifellos das Theater, das, harmonisch in die Landschaft eingefügt, noch immer durch seine unglaubliche Akustik begeistert: Wenn man in der Mitte der Orchestra, dem Kreis in der Mitte der Ränge, der dem Chor vorbehalten war, in normaler Lautstärke spricht, ist dies noch in der fünfundfünfzigsten Sitzreihe in 22 Metern Höhe gut zu verstehen.
Ormos Voutliás
Oberhalb der geschützten Bucht Ormos Voutliás fanden wir einen ruhigen und aussichtsreichen Übernachtungsplatz, an dem wir diesen tollen Tag wundervoll ausklingen lassen konnten.
Kloster Avgo
Über eine recht wilde Piste mit interessanten Begegnungen entdeckten wir am nächsten Morgen eher zufällig das Kloster Avgo. Das im 11. Jahrhundert gegründete Kloster ist dem heiligen Dimitrios geweiht.
1821 beteiligten sich die Mönche des Klosters an den Aufständen gegen die osmanische Besatzung. Der Abt wurde darauf hingerichtet und das Kloster 1825 niedergebrannt. Nach der griechischen Befreiung wurde das Kloster zwar für kurze Zeit wieder geöffnet, wurde aber bereits 1833 durch königliche Order endgültig aufgelöst.
Der freundliche Mönch, der die Anlage betreut und für Besucher zugänglich macht – das Kloster ist zwar schön renoviert, wird aber nicht mehr benutzt –, führte uns in dem engen, spektakulär in die Felswand gebauten dreistöckigen Gebäude herum und reichte anschließend bei einem netten, ausgedehnten Gespräch Wasser und Süßigkeiten.
Kándia
Bei Kándia übernachteten wir traumschön direkt am kilometerlangen, einsamen Strand und lauschten dem beruhigenden Plätschern der Wellen.
Náfplion
Náfplions Geschichte ist durchaus bewegt: Zwar war die Gegend auch in mykenischer Zeit schon besiedelt, war dann aber lange Zeit unbewohnt. Erst im Mittelalter gewann Náfplion wieder an Bedeutung und wurde seitdem hart umkämpft: Byzantiner, Franken, Venezianer, Türken, wieder Venezianer, wieder Türken gaben sich hier die Klinke in die Hand. Nach der Befreiung von der osmanischen Herrschaft war Náfplion dann sogar zwischen 1829 und 1834 griechische Hauptstadt.
Diese wechselhafte Vergangenheit spiegelt sich noch heute in den zahlreichen Befestigungsanlagen in der Stadt. Am hübschesten anzuschauen ist dabei sicherlich die venezianische Festung auf der vorgelagerten Insel Boúrtzi.
Aber auch die Altstadt des 14.500-Einwohner-Städtchens ist durchaus attraktiv und hat eine enorme Restaurant- und Kneipendichte zu bieten. Nach gut achtmonatigem coronabedingten Entzug hatte das für uns einen ziemlichen Charme – zumal viele Bars überaus originell und liebevoll gestaltet sind.
Arkadien
Die nordöstliche Seite des nächsten peloponnesischen Fingers wird von Arkadien eingenommen. Auf den ersten Blick wirkt dieser Landstrich nicht ganz so wie das Schlaraffenland, als das Arkadien von Ovid und Goethe gepriesen wurde. Aber die in weiten Teilen kahle und karstige Berggegend hat trotzdem ihren eigenen Charme.
Leonídion
Das hübsche Bergörtchen Leonídion ist eine gute Ausgangsbasis für Ausflüge in das wilde und traumhaft schöne Párnon-Gebirge. Die zahlreichen umliegenden Felswände bieten auch unzählige Klettermöglichkeiten – leider sind aber ausgesprochen wenige Anfängerrouten dabei.
Ein lohnendes Ziel ist das dramatisch an eine Felswand geklebte Kloster Elonís, das auf einer schönen Wanderung zu erreichen ist. Leider war das Kloster geschlossen, aber auch der Blick von außen beeindruckte.
In Kosmás lockten anschließend unter schattigen, uralten Platanen nette Tavernen zum Verweilen.
Auf der Rückfahrt über einsame Bergstraßen entdeckten wir unfassbare Mengen an Bienenkörben.
Lakonien
Lakonien erstreckt sich über den südlichen Rest des Zeigefingers und den gesamten Mittelfinger der peloponnesischen Hand. Die Region ist ausgesprochen vielseitig und hat neben wunderschönen Buchten, in denen türkises Wasser Mitte Mai mit mittlerweile durchaus erträglichen Temperaturen lockt, malerischen Städtchen und spektakulären Landschaften auch viel Kultur zu bieten.
Vlychada
Aber zunächst ging es in die zauberhafte, in einen steilen Felskessel geschmiegte Vlychada-Bucht. Gemeinsam mit einigen anderen Wohnmobilen konnten wir dort direkt an dem breiten Kiesstrand übernachten.
Eine der umgebenden Felswände punktet zudem mit eingerichteten Kletterrouten, von denen einige auch tatsächlich für uns Greenhorns machbar waren. Außerdem kampierten dort auch zwei ausgesprochen nette junge deutsche Kletterer, die für uns auch zwei etwas schwierigere Routen vorgestiegen sind.
Monemvasiá
Weiter südlich auf dem Zeigefinger erreicht man Monemvasiá. Der auf einer steilen Felseninsel gelegene alte Teil des Ortes begeistert mit einem geschlossenen mittelalterlichen Stadtbild, das durch keinerlei Autoverkehr gestört wird. Zwar ist der Ort schon recht touristisch, aber so sind viele Gebäude auch mit viel Gespür restauriert worden. Wie Monemvasiá sonst aussehen würde, lässt sich am Beispiel der zahlreichen Ruinen, die es dennoch gibt, erahnen.
Dia-Show Monemvasiá
Durch einen Klick auf das Bild öffnet sich die Dia-Show in einem neuen Fenster. Der Link „Zurück zum Reisebericht“ in der Fußzeile der Dia-Show bringt dich wieder hierher.
Mystrás
Hoch auf einem steilen Hang des Taýgetos-Gebirges oberhalb der fruchtbaren Ebene von Sparta liegen die mittelalterlichen Ruinen von Mystrás. Beherrscht wurde die Stadt einst von einer mächtigen Festungsanlage, die der Franzose Guillaume II. de Villehardouin 1249 erbauen ließ. Nur 13 Jahre später musste er die Burg allerdings schon wieder hergeben – als Preis, um aus byzantinischer Gefangenschaft freigelassen zu werden.
Unter byzantinischer Herrschaft blühte und wuchs Mystrás in den folgenden Jahrhunderten trotz häufiger Überfälle der Türken und Bulgaren über die eigentliche Burganlage hinaus. Zahlreiche Bürgerhäuser, Kirchen und Klöster entstanden.
Nach dem Fall Konstantinopels geriet die Stadt 1460 unter türkische Herrschaft. In der Folge verlor Mystrás an Bedeutung, wurde aber dennoch weiterhin hart umkämpft. Während des griechischen Freiheitskampfes wurde die Festung endgültig zerstört. Die Stadt wurde jedoch erst in den 1950er Jahren von den letzten Bewohnern verlassen.
Die Besichtigung der umfangreichen Anlage ist zeitintensiv und wegen der gewaltigen Höhenunterschiede schweißtreibend. Weil wir daher die heißen Mittagsstunden meiden und zudem unseren Hund nicht im heißen Auto lassen wollten, begannen wir unsere Besichtigung direkt um acht Uhr zur Öffnung der Ruinen. Das erwies sich auch insofern als gute Entscheidung, da wir zumindest die Unterstadt so noch für uns alleine hatten, während oben in der Burganlage dann doch durchaus schon mehrere Besucher unterwegs waren. Der Preis war allerdings der um 5:30 Uhr schellende Wecker.
Von Burg und Wohngebäuden sind leider nur noch Ruinen zu sehen, zahlreiche byzantinische Kirchen und Klöster sind aber noch gut erhalten oder behutsam restauriert. Ein Kloster ist sogar noch bewohnt. Im Inneren der Kirchen sind noch viele alte Fresken zu erkennen. Auch fehlt zum Glück meist der überbordende Prunk, der orthodoxe Kirchen sonst oft auszeichnet, so dass man sich auf die Schönheit der harmonischen Baukörper konzentrieren kann.
Dia-Show Mystrás
Langadiotissa-Schlucht
Ein wenig südlich von Mystrás kerbt sich die Langadiotissa-Schlucht ins Taýgetos-Gebirge. Möglicherweise ist dies der Ort, den die Spartaner Apothetai nannten und den sie für ihr unrühmliches Euthanasie-Projekt genutzt haben sollen: Kinder, die dem Ältestenrat missgebildet oder zu schwach erschienen, wurden im Gebirge ausgesetzt.
Verweilt man einen Moment in der Höhlenkapelle Panagia Langadiotissa in der Schlucht, um die friedvolle Stimmung dort zu genießen, erscheinen solch archaische Geschichten nahezu unglaublich.
Gýthion
Im hübschen Hafen von Gýthion schaukeln bunte Fischerboote und zahlreiche Tavernen locken mit Tischen unter Sonnenschirmen direkt am Wasser zu einer Pause.
Einige Kilometer von Gýthion liegt seit Weihnachten 1981 das Wrack der Dimitrios am Strand. Das 1950 in Dänemark gebaute Küstenmotorschiff wurde 1965 nach Griechenland verkauft. Das Schiff lag vor Gýthion auf Reede, als es sich in einem Wintersturm losriss und an den Strand getrieben wurde.
Máni
„In diesen verlassenen Bergen, zu Fuß unterwegs zwischen Felsen und hochgelegenen Dörfern ist es noch möglich, all die Veränderungen zu vergessen, die in der Welt und in Griechenland stattgefunden haben.“
Patrick Leigh Fermor (1972)
Die südliche Fortsetzung des Taýgetos-Gebirges bestimmt den südlichen Zipfel des Mittelfingers – die Máni. Die schroffen, nackten Berge lassen die Gegend ausgesprochen menschenfeindlich wirken und auch die hohen, an Burganlagen erinnernden Wohntürme in den kleinen Bergdörfern wirken abweisend. Tatsächlich war der entlegene Landstrich lange Zeit vom Rest Griechenlands abgeschieden, was zu der oben zitierten Einschätzung des Máni-Kenners Patrick Leigh Fermor führte.
Mit seinem 1958 erschienenen Buch über die Máni löste der Engländer allerdings einen wahren Máni-Hype aus – und sorgte so dafür, dass die einst vergessene Landschaft längst touristisch entwickelt ist: Viele der Wohntürme, die seit dem 17. Jahrhundert als Fluchtburgen entstanden – schon immer waren die Manioten für ihre blutigen Fehden bekannt –, beherbergen heute Touristen oder wurden von wohlhabenden Griechen aufwendig restauriert.
Aber auch moderne Ferienhäuser werden meist im Stil der historischen Wohntürme gebaut – Ruinenlook mit scheinbar abbröselnden Mauerkränzen inklusive. So hält sich der Tourismus auf der Máni in erfreulich erträglichen Grenzen.
Das liegt vermutlich auch daran, dass die wenigen Badebuchten oft schwer erreichbar sind. Zudem wirken wenige so einladend wie die wunderschöne Bucht von Pórto Kágio, wo man sich in den wenigen gemütlichen Tavernen am Strand das Wasser quasi über die Füße spülen lassen kann.
Viel häufiger ist die Küste schroff und unzugänglich, bietet dabei aber auch einige spektakuläre Übernachtungsplätze (Suchbild: Wer findet den Granny?).
Mit dem Kap Mataplan findet sich in der Máni auch der nach der Punta de Tarifa in Spanien zweitsüdlichste Punkt des europäischen Festlandes – und somit der südlichste Punkt unserer Reise. Der lange Griechenland-Lockdown hat verhindert, dass wir den südlichsten Punkt Europas – die Insel Gavdos südlich von Kreta – erreichen konnten.
3843 Kilometer Luftlinie, 5363 Straßenkilometer auf der schnellsten Strecke, etwa 24150 tatsächlich gefahrene Kilometer, 282 Tage und etwa 20 Grad Celsius trennten uns nun am Kap Mataplan vom Nordkapp, dem nördlichsten Punkt unserer Reise.
Traurig an diesem Extrempunkt war vor allem, dass wir ab jetzt vorwiegend nord- und somit mehr oder weniger heimwärts unterwegs waren und sich unser Sabbatjahr – uns blieben noch gut zwei Monate – allmählich dem Ende neigte.
Messenien
Beginnend schon am westlichen Mittelfinger, erstreckt sich Messenien über den gesamten kleinen Finger – die peloponnesische Hand hat keinen Ringfinger.
Rindomo-Schlucht
Knapp nördlich der Maní machten wir einen kleinen Schlenker ins Landesinnere, um die Rindomo-Schlucht zu durchwandern. Der engste Teil dieser spektakulären Schlucht ist so eng, dass selbst wir mit unserer bescheidenen Spannweite von knapp 170 Zentimetern beide Wände berühren können.
Im Inneren der Schlucht gilt es, große Felsbrocken zu überklettern – Wasser fließt am Grund zum Glück nach ausgesprochen schneereichen Wintern. So ist die Wanderung überaus spannend.
Polylimnio-Wasserfälle
„Polylimnio“ heißt soviel wie „viele Seen“. Tatsächlich werden eine ganze Kette eher kleinerer Seen durch mehrere, unterschiedlich hohe Wasserfälle miteinander verbunden.
Leider hinderte uns unser Hundicap daran, sämtliche Wasserfälle abzuwandern: An einigen Stellen müssen meterhohe Felswände an eingelassenen Krampen überwunden werden. Da ist dann selbst unsere Bergziege raus.
Dafür haben meine Mädels den Spaziergang für ein erfrischendes Bad genutzt.
Methoni
Bewacht wird das hübsche Küstenörtchen Messene von einer mächtigen venezianischen Festung. 175 Jahre beherrschte Venedig diesen strategisch wichtigen Punkt, bis sich 1500 nach wochenlangen Gefechten die 7000 Mann starke venezianische Besatzung des Kastells der 100.000 Mann starken türkischen Übermacht ergeben musste. Bis zur Vertreibung der Türken dauerte es dann nochmals 325 Jahre.
Leider war die Festung geschlossen, sodass man die wuchtigen Mauern nur von außen bewundern konnte.
Messene
Nach einem Bummel durch das gemütliche Pýlos und einem kurzen Badestopp an der berühmten Ochsenbauchbucht, die leider – es war Sonntag – recht voll war, zog es uns erneut zu antiken Ruinen.
Noch an vielen Stellen ist der wuchtige, einst mehr als neun Kilometer lange Mauerring zu erkennen, der das alte Messene einst umgab.
Ebenso beeindruckend sind die Ausgrabungen des einstigen Zentrums der Stadt mit Theater, Asklepieion und einem der größten Stadien des antiken Griechenland. Auch hier waren angenehm wenige Besucher unterwegs.
Dia-Show Messene
Ithóme
Der 798 Meter hohe Berg Ithóme war Teil der Verteidigungsanlagen des antiken Messene – was wenig verwundert, eröffnet sich von seinem Gipfel doch ein weiter Blick.
Auf dem Gipfelplateau steht ebenfalls das hübsche, leer stehende Vourkáno-Kloster. Im Schatten der davor stehenden Olivenbäume fand sich ein friedvoller Platz für eine ausgedehnte Rast nach der schweißtreibenden Wanderung.
Arkadien
Allmählich wollten wir dem Peloponnes den Rücken kehren und so führte uns unsere Reise nordwärts erneut durch bereits bekannte Regionen, in denen es aber noch zahlreiche Schätze zu entdecken gab.
Lousíos-Schlucht
In der spektakulären Lousíos-Schlucht besuchten wir auf einer zum Glück weitgehend im Schatten verlaufenden Wanderung zwei weitere Klöster.
Das Kloster Prodrómou ist grandios in eine überhängende Felswand hinein gebaut. Von den Holzbalkonen des Klosters bietet sich eine wunderschöne Aussicht weit über die tief eingeschnittene Schlucht. Herzstück des Klosters ist die in die Felsen gebaute Kapelle aus dem Jahr 1167 mit tollen alten Fresken. Gerade einmal sieben Mönche leben hier noch.
Nach steilem Abstieg zum reißenden Lousíos-Fluss und erneutem Aufstieg erreicht man an der gegenüberliegenden Felswand das Kloster Filosófou. Der „Altbau“ aus dem Jahre 963 ist ähnlich großartig an die Felswand geklebt wie das Prodrómou-Kloster. Hier sind allerdings nur noch spärliche Reste zu bewundern. Für den „Neubau“ haben die Mönche die bequemere und leichter zugängliche Felsnase oberhalb gewählt.
Argolis
Mykéne
Wegen Hundicap und mangelndem Schatten auf dem Parkplatz vor der 3000 Jahre alten Festung konnte leider nur ein Mitglied unserer Reisegruppe die archäologische Stätte besichtigen, während der Rest daran arbeiten konnte, unsere Homepage zu aktualisieren. Im regen Wechsel vorfahrende Touristenbusse ließen hier leider ein größeres Besucheraufkommen als bisher erwarten.
Deshalb war es gar nicht so einfach, das berühmte Löwentor (oben links) ohne Touristen zu fotografieren, die sich zum Glück aber doch in der großen Burganlage verliefen. In drei Bauphasen von 1350 bis 1200 v.Chr. entstand der beeindruckend große Komplex, der aber durch einen Brand vor ca. 3000 Jahren zerstört worden war. Allerdings war die Anlage nie völlig verschwunden, so war das Löwentor immer sichtbar.
170 n.Chr. beschrieb der griechische „Reiseschriftsteller“ Pausanias die Ruinen. Dieser Text und die Begeisterung für Agamemnon und seine Zeitgenossen ließen Heinrich Schliemann 1870 nach den Gräbern seiner Helden suchen. Er grub und fand neun Grabstellen mit wertvollen Reliefs und kunstvoll gefertigte Grabbeigaben aus insgesamt 13 kg Gold, Repliken kann man im Museum bewundern. Die bekannte „Maske des Agamemnon“ ist allerdings 400 Jahre älter als Schliemann vermutete.
Die Rundgräber innerhalb der Burganlage (oben links) sind nur von oben zu betrachten, das „Löwengrab“ außerhalb der Anlage (Tor oben rechts) ist durch einen schmalen, 14 Meter langen Gang betretbar und vermittelt die Bedeutung des Totenkultes der Mykener.
Imposant ist die mächtige weitgehend erhaltene, bzw. gut restaurierte „Kyklopenmauer“ aus unregelmäßig behauenen Steinen, die die Burganlage umschließt. Man erahnt die Wehrhaftigkeit der Anlage. Recht viel Fantasie braucht man allerdings, um sich aus den Grundmauern den die Burganlage krönenden Palastes des Agamemnon vorzustellen. Der gut erhaltene Gang hinunter zu der geschützt liegenden Zisterne ist schon „griffiger“.
Korinthía
Solomos
In der Nähe des kleinen Örtchens Solomos haben wir auch endlich wieder einen Kletterversuch unternommen. Die schöne Felswand oberhalb ausgedehnter Olivenhaine bot einige recht leichte, perfekt abgesicherte Routen für uns – und war zudem am Nachmittag im Schatten.
Das antike Korinth
Mit etwa 300.000 Einwohnern soll die bedeutende Stadt in ihrer Blütezeit dem aufstrebenden Athen ernsthafte Konkurrenz gemacht haben. Doch als die Römer die Stadt 146 v.Chr. eroberten und bis auf die Grundmauern zerstörten, war ihre Blütezeit schon längst wieder vorüber. Als allerdings Julius Caesar 44 v.Chr. hier eine römische Kolonie errichten ließ und diese zum Verwaltungssitz erklärt wurde, ging es erneut bergauf, bis im dritten Jahrhundert nach Christus Erdbeben wichtige Gebäude zerstörten.
Wegen unseres Hundicaps und der tagsüber trotz Schattenparkplatzes im geschlossenen Auto ziemlich hohen Temperaturen mussten wir die Ruinen des antiken Korinth nacheinander besichtigen. Das Vergnügen mussten wir uns aber zum Glück mit nur wenigen anderen Besuchern teilen.
Akrokorinth
Steil fallen die Felswände des 575 Meter hohen Berges zu den Ruinen des antiken Korinth ab. Die heute noch sichtbaren wuchtigen Mauern der antiken Festungsanlage stammen aus dem vierten Jahrhundert vor Christus. Dass die Burg eine wichtige strategische Rolle für die Kontrolle des See- und Landverkehrs über den nahen Isthmos spielte, beweist ihre wechselhafte Geschichte: Zerstörung im zweiten Jahrhundert vor Christus durch die Römer, unter Justinian im sechsten Jahrhundert erneuert, von den Byzantinern ausgebaut, 1210 von den Franken eingenommen, im 14. Jahrhundert vom benachbarten Mystrás erobert, bis die Johanniter von Rhodos sie übernahmen und 1458 von den Türken erobert. Von 1687 bis 1715 gaben die Venezianer ein kurzes Zwischenspiel, das von den Türken bald wieder beendet wurde, die wiederum 1822 endgültig von griechischen Freiheitskämpfern vertrieben wurden.
Wegen des schattenlosen Parkplatzes und der oben geschilderten Probleme beschränkten wir uns allerdings auf einen Blick von außen auf die mächtige Festung.
Kanal von Korinth
Nur 6,3 Kilometer misst der Isthmos von Korinth an seiner schmalsten Stelle – und sorgt dafür, dass der Peloponnes eine Halbinsel und keine Insel ist. Schon vor 2600 Jahren hatte Periander von Korinth die Idee, den Isthmos durch einen Kanal zu durchstechen und so den Schiffen den 325 Kilometer langen Umweg um den Peloponnes zu sparen. Erste, unvollendet gebliebene Bauarbeiten ließ Kaiser Nero 67 n. Chr. beginnen. Allerdings wurde das Projekt erst im 19. Jahrhundert ernsthaft in Angriff genommen und der Kanal wurde 1893 nach zwölfjähriger Bauzeit eröffnet.
Heute spielt der Kanal für die Schifffahrt keine nennenswerte Rolle mehr. Mit nur 25 Metern Breite und acht Metern Wassertiefe ist er für moderne Hochseefrachter längst nicht mehr ausreichend dimensioniert.
Trotzdem lohnt es sich, von der Brücke der alten Nationalstraße aus einen Blick in die nahezu 80 Meter senkrecht eingegrabene, schnurgerade „Schlucht“ zu werfen. Wagemutige können auch per Bungee Jump einen kurzen Ausflug nach unten unternehmen – auf Wunsch mit Wasserkontakt.
Mit Überquerung des Kanals hatten wir den Peloponnes dann auch hinter uns gelassen und waren nordwärts zu neuen Ufern aufgebrochen – davon später mehr.